DI Romana Fertl ist Lebensmitteltechnologin und war in einem internationalen Konzern für die Qualitätssicherung, das Labor, den Aufbau und die Schulung von Sensorikteams verantwortlich bevor Sie OpenSense gründete. Auch wir haben die Gelegenheit und Ihr Wissen genutzt und unsere Guides wurden von ihr in der Sensorik – dem Wahrnehmen von allen rund um Geschmack, Textur, etc. von Lebensmitteln – trainiert.
Hier finden Sie ganz einfache Geschmackstrainings zur Durchführung zu Hause, die wir hier posten dürfen.
Die spielerischen Übungen sind für Erwachsene und Kinder geeignet, machen Spaß und trainieren ganz einfach die Sinne.
Tauchen Sie mit ihr ein in die Kunst des Genießens …
Übung 1: Wie fein schmeckt meine Zunge
Testet euren Geschmackssinn auf Süßempfindlichkeit aus.
Könnt ihr verschiedene Zuckerkonzentrationen leicht unterscheiden?
Ihr braucht dazu 10 Zuckerwürfel (oder Teelöffel Zucker), 4 Gläser und Leitungswasser.
Löst in jeweils ¼ l Leitungswasser 1, 2, 3, oder 4 Zuckerwürfel auf.
Eine zweite Person ordnet nun die 4 Gläser in einer beliebigen Reihenfolge.
Versucht nun die vier Gläser der Süße nach zu reihen (links steht dann das am wenigsten und rechts das am meisten süße).
Wir haben eine angeborene Präferenz für süße Lebensmittel. Das sagt unserem Körper, dass eine leicht verfügbare Energiequelle vorhanden ist (Kohlenhydrate, nahrhaft). Doch ein tägliches Zuviel an Süße, lässt unsere Geschmacksempfindlichkeit abstumpfen.
Ihr findet die letzte Zuckerlösung zu süß?
Nur zum Vergleich. Ein ¼ l Cola enthält ca. 7 Zuckerwürfel (27g). Das ist dann wirklich süß.
Und all jenen, denen diese Übung sehr leicht gefallen ist, können die Zuckermenge halbieren und nochmals versuchen.
Übung 2: Die Nase schmeckt mit
Mit dieser Übung möchte ich euch das enge Zusammenspiel von Geruch und Geschmack bewusst machen.
Ihr braucht diesmal nur Vanillezucker.
Haltet euch ganz fest die Nase zu (damit ist eure Geruchswahrnehmung unterbrochen).
Nehmt eine kleine Menge des Vanillezuckers und gebt ihn bei verschlossener Nase auf eure Zunge.
Schmeckt nun ganz bewusst. Ihr erkennt nur den süßen Geschmack.
Nach ca. 5-6 Sekunden öffnet eure Nase und plötzlich strömen die Vanillearomen an eure Riechschleimhaut.
Erst jetzt könnt ihr die Vanille in ihrer ganzen Fülle erkennen und riechen.
Wir sprechen immer vom Geschmack eines Lebensmittels. Genau genommen sind es aber die Gerüche und Aromen die uns vieles schmackhaft machen.
Diese gelangen vom Mund über den Hals-Nasen-Rachenraum an unsere Riechschleimhaut (sozusagen von hinten herum).
Ihr könnt diese Übung auch mit anderen Lebensmittel ausprobieren. Zum Beispiel mit gesalzenen Erdnüssen oder Honig.
Die Weinliebhaber können auch eine Schluck Wein mit verschlossener Nase trinken. Lasst euch überraschen wie euer Lieblingswein dann wirklich schmeckt.
Übung 3: Ich schmecke – was du nicht siehst
Ein Geschmackserlebnis dem Partner beschreiben, der mit dem Rücken zu mir sitzt (funktioniert auch per Telefon).
Nimm dir ein beliebiges Lebensmittel (z.B. Apfel, Karotte, Schokolade, Brot, Käse…). Wichtig ist, dass du es magst und der Partner es auch kennt.
Beschreibe nun deinem Gegenüber alle deine sensorischen Eindrücke dieses Lebensmittel beim Essen.
Im ersten Schritt nur was im Mund wahrnehmen wird – Geruch, Geschmack, Aroma, Kaugeräusche, Mundgefühl, Viskosität.
Nach jedem beschriebenen Merkmal soll dein Gegenüber raten, was du isst. Erst dann sagst du das nächste Merkmal.
Im zweiten Schritt kannst du die Äußerlichkeiten beschreiben – Farbe, Form, Textur.
Bei den Beschreibungen darf das Lebensmittel selbst nicht genannt werden.
Anschließend könnt ihr die Rollen tauschen.
Wenn wir Lebensmittel essen passiert dies oft nebenbei. Wir schenken bekannten Nahrungsmitteln wenig Beachtung. Mit dieser Übung trainiert ihr zum einen euer sensorisches Vokabular (indem ihr jede einzelne Wahrnehmung in Worte fasst). Zum anderen entdeckt ihr unzählige Nuancen eines Lebensmittels und werden es in Zukunft viel bewusster und langsamer genießen.
Die Weinliebhaber können ja versuchen einen Wein (z.B. Grüner Veltliner, Blaufränkisch) zu beschreiben. Da wird es schon schwieriger.
Übung 4: Sehen wie’s schmeckt
Einfluss der Farbe auf die Geruchs- und Geschmackswahrnehmung.
Für diese Übung braucht ihr Orangen- oder Apfelsaft, Gläser und verschiedene Lebensmittelfarben (könnt ihr dann gleich zum Ostereier färben verwenden).
Füllt in jedes Glas die gleiche Menge Saft.
Das erste Glas bleibt pur und die weiteren Gläser werden mit jeweils einer Farbe gefärbt (blau, grün, rot).
Am besten ist es, das Farbpulver vorweg in wenig Wasser zu lösen und dann ein paar Tropfen in den Saft zu träufeln und gleichzeitig umzurühren (so könnt ihr selbst die Farbintensität bestimmen).
Nun lasst eure Partner/Kinder die verschiedenen Saftgläser kosten. Die sollen nun beurteilen, um welche Säfte es sich handeln könnte?
Es ist gar nicht so leicht. Nicht nur Zunge und Nase bestimmen was schmeckt, sondern auch der erste Eindruck und unsere Erwartung. Geschmack entsteht nun mal im Kopf. Blauer Saft wird dann an Heidelbeere oder Brombeere erinnern. Der Rote an Johannisbeere oder Himbeere und der Grüne an Kiwi.
Ihr könnt die gefärbten Säfte dann mit verschlossenen Augen nachverkosten. Dann ist es plötzlich ganz eindeutig, dass in jedem Glas das Gleiche drinnen ist.
Die Weinliebhaber können ihrem Partner einen gut bekannten Weißwein z.B. als Rosé färben und zur Verkostung geben. Lasst euch über das Ergebnis überraschen.
Übung 5: Der scharfe Blick
diesmal ist es ein Aufmerksamkeitstraining. Seid ihr gute Beobachter?
Spielerisches, genaues Beobachten. Jedes Detail von Lebensmittel wahrnehmen.
Sucht euch für diese Übung ca. 15 verschiedene Lebensmittel zusammen (mit und ohne Verpackung).
Hier nur ein paar Beispiele – Apfel, Müsliriegel, Teebeutel, Walnüsse, Bohnen, Linsen, Packung Vanillezucker… .
Die Produkte werden willkürlich auf dem Tisch ausgebreitet und mit einem Tuch abgedeckt.
Dann nehmt ihr das Tuch weg. Euer Partner hat nun genau 30 Sekunden Zeit sich alle Details einzuprägen (Farbe, Form, Anzahl, Beschriftung usw.). Dann deckt ihr die Lebensmittel wieder ab.
Nun stellst du Fragen zu den Produkten (z.B. wieviele Bohnen liegen auf dem Tisch; was schmeckt alles süß; was liegt links vorne; welche Früchte sind auf der Müsliriegelverpackung abgebildet).
Lass dir ruhig ein paar kniffelige Fragen einfallen.
Wir glauben immer alles zu sehen. In den meisten Fällen haben wir aber nur einen ersten Eindruck bekommen.
Die Vielzahl an optischen Informationen die beim Einkauf auf uns einströmen, können wir nur zu einem Teil erfassen.
Meist ist es der Preis, die Marke, die Farbe oder die Verpackung die für den Kauf ausschlaggebend sind.
Die Aufmerksamkeitsübung könnt ihr auch in zweier Teams durchführen. Dann wird abwechselnd gefragt.
Die Weinliebhaber suchen sich einfach 15 verschiedene Dinge zusammen, die mit Wein zu tun haben (Korken, Weinflaschen, Dropstopper, Bücher, Prospekte, …).
Auch hierzu gibt es unzählige Fragen was beobachtet wurde (welche Jahreszahl ist am Korken aufgedruckt; wie hoch ist der Alkoholgehalt des Grünen Veltliners).
Übung 6: Milch ist nicht gleich Milch
mit dem heutigen Geschmackstraining möchte ich euch einen Produktvergleich anbieten.
Kuhmilch gibt es im Lebensmittelhandel unter anderem als frische Vollmilch, Vollmilch länger frisch, Haltbarmilch, aber auch mit reduziertem Fettgehalt und lactosefrei. Doch wie groß sind die geschmacklichen Unterschiede der jeweiligen Milch. Versucht es herauszuschmecken.
Ihr braucht dazu verschiedene Milchsorten (z.B. Vollmilch, länger frisch Vollmilch, haltbare Vollmilch, lactosefreie Milch).
Alle Produkte sollen für die Verkostung die gleiche Temperatur haben (am besten Zimmertemperatur).
Lasst euch die Gläser Milch von jemand anderen einschenken, sodass ihr ganz unbeeinflusst die Milch verkosten könnt.
Nun beurteilt die Milchproben ganz nach eurer persönlichen Präferenz.
Riecht intensiv daran, schmeckt die Süße und achtet auch auf das Mundgefühl.
Zwischen den einzelnen Gläsern könnt ihr zur Neutralisation immer einen Schluck Wasser trinken.
Legt dann fest, welche Milch in welchem Glas sein könnte und welche euch am besten schmeckt.
Es ist euch sicher aufgefallen, dass lactosefreie Milch süßer schmeckt.
Bei der Herstellung wird der Milchzucker (Laktose) in die beiden Einfachzucker Glukose und Galaktose aufgespalten, die süßer als Laktose schmecken.
Auch laktoseintolerante Menschen können nun ohne Beschwerden Milch trinken.
Falls ihr keine Milch mögt, könnt ihr für die Übung auch Joghurt mit unterschiedlichem Fettgehalt nehmen.
Übung 7: Langsamer Genuss mit allen Sinnen
Heute gibt es eine genussvolle Übung mit Schokolade (da findet sich doch sicher noch ein Schokohase).
Das Gute dabei – auch das ist ein Geschmackstraining.
Beim Essen und Trinken sind alle unsere Sinne beteiligt – sehen, hören, fühlen, riechen und schmecken.
Versucht nun ein Stück Schokolade ganz langsam und aufmerksam zu genießen. Lasst euch wirklich Zeit.
Nehmt das Stück in die Hand. Betrachtet es von allen Seiten – Farbe, Form, Größe, Struktur.
Dann riecht daran – schnüffelt ruhig. Läuft euch schon das Wasser im Mund zusammen?
Brecht das Stück auseinander, achtet auf das Geräusch und riecht nochmals. Ist der Geruch nun intensiver?
Nun beißt ab, hört dabei zu und lasst die Schokolade ganz langsam auf der Zunge schmelzen. Wie fühlt es sich an?
Durch die Wärme verändert sich die Konsistenz – es wird weicher, cremiger oder auch ganz leicht sandig.
Jetzt achte auf den Geschmack – die Süße, vielleicht auch was Bitteres oder Säuerliches.
Das Aroma verstärkt sich – vielleicht milchig, buttrig, nach Kakao, Malz oder Vanille.
Ganz langsam nimmt der Schmelz ab, der Geschmack und die Aromen klingen noch lange nach.
Alle unsere Sinne sind beim Essen und Trinken gemeinsam im Einsatz – so zu sagen Teamplayer.
Je langsamer und aufmerksamer wir unsere Speisen genießen, desto mehr können wir die vielen Einzelheiten herausschmecken.
Deshalb lieber langsamer genießen statt oberflächlich konsumieren.
Die Weinliebhaber können selbstverständlich ein Glas Wein mit allen Sinnen zelebrieren und die vielen Nuancen entdecken. Startet die Übung mit dem Öffnen der Flasche. Das erhöht die Vorfreude.
Die wahren, geduldigen Genießer können es so wie Isabella Allende versuchen – siehe pdf.
Übung 8: Fühlen wie es riecht
mit dem heutigen Geschmackstraining wollen wir uns dem Geruchssinn widmen – dem „Sinn ohne Worte“.
Wie fein ist dein Geruchssinn? Kannst du Gerüche erkennen oder ergeht es dir so wie mir.
Ich rieche etwas, denke mir, dass kenne ich – aber es will mir einfach nicht einfallen, was es ist – es liegt mir auf der Zungenspitze.
Ihr braucht für die Übung verschiedene Riechstoffe – Gewürze, Kräuter, Obst, Gemüse, Olivenöl, Käse, ….
Lass dir die Augen verbinden und von deinem Partner die Riechstoffe vorsichtig unter die Nase halten.
Zuerst schnüffle nur ganz vorsichtig. Achte auf dein Gefühl – ist der Geruch für dich angenehm oder unangenehm.
Wie intensiv ist der Geruch – ist er dezent oder dominant.
Nun versuche den Geruch mit deinen Worten zu beschreiben – z.B. fruchtig, frisch, gemüsig, würzig, erdig, ….
An was erinnert dich der Geruch – an eine Speise, den letzten Urlaub, Ferien bei Oma, ….
Erst dann sage den Namen des Geruchs, den du erkannt hast.
Jeder Geruch löst eine emotionale Reaktion aus (ein Gefühl), die mit einer Erinnerung verknüpft ist.
Diese Erinnerung gilt es wachzurütteln – denn jeder Geruch hat eine Geschichte zu erzählen.
Durch gezieltes Riechtraining wird das Geruchsgedächtnis stimuliert und trainiert.
Jeder Weinliebhaber kennt sicher die vielen „blumigen“ Weinbeschreibungen. Versucht doch mal selbst Worte zu finden.
Vielen Dank an Romana Fertl!
Quelle: Opensense, Kritzendorf